Einige Beispiele
Guten Abend und herzlich willkommen zur Verleihung und Ausstellungseröffnung des A&W-Designer-des-Jahres-Awards 2007.
Für alle, die hier zum ersten Mal Gast sind: Wir vergeben keinen Pokal und keine Urkunde. Der Preis ist jeweils eine Ausstellung, die der Preisträger nach eigenem Gusto gestaltet – und in der sie gerade stehen. Wir vergeben diesen Preis in diesem Jahr zum elften Mal – und diesmal verbunden mit dem 50-jährigen Jubiläum von A&W, das wir das ganze Jahr über feiern werden – mehr darüber können Sie in der aktuellen Jubiläumsausgabe nachlesen. Wie die meisten von Ihnen wissen, haben wir bislang folgende international renommierten Designer prämiert: Achille Castiglioni, Ingo Maurer, Philippe Starck, Paola Navone, Ross Lovegrove, Antonio Citterio, Ulf Moritz, Ron Arad, Richard Sapper und Gaetano Pesce.
Einige von ihnen habe ich unter den Gästen entdeckt – was uns sehr freut! Dass wir Konstantin Grcic als A&W-Designer des Jahres 2007 gewählt haben, hat etwas wenn nicht sogar sehr viel – mit A&W-Eigenschaften zu tun: mit Tradition und Kontinuität, mit Kreativität und Zeitgeist und natürlich mit Designkompetenz. Der 41-jährige Designer aus München mit dem etwas schwierigen Namen jugoslawischen Ursprungs war uns nämlich früh aufgefallen. Schon 1994 porträtierte A&W den damals 29-Jährigen, auf den uns Jasper Morrison aufmerksam gemacht hatte. Bei dem englischen Designstar des New Minimalism der Neunziger Jahre hat Grcic auf dem Royal College of Art studiert und danach ein Jahr lang in dessen Studio gearbeitet, bevor er sich mutig 1991 als Industriedesigner in München selbstständig machte. Wir erkannten in ihm den Shootingstar der neuen Designerszene, auch wenn er damals erst wenige Produkte auf den Markt gebracht hatte – das Bücherregal „Unit“ für SCP, den Flaschenschrank „Pandorra“ für Classicon, den Tisch „Satellite“ für Cappellini.
Und ohne uns allzu sehr auf die Schultern zu klopfen: A&W war das erste Magazin, das Konstantin Grcic vorstellte. Während des damaligen Interviews kam das Gespräch auf ein Möbel, dem sich noch kein Designer gewidmet hatte – ein Zeitschriftenständer. Konstantin, der damals – wie gesagt – noch nicht viele Entwürfe realisieren konnte, skribbelte so ganz nebenbei ein Modell in verschiedenen Ansichten – und weil es uns gefiel, ließen wir es in einer limitierten Auflage von zehn Stück herstellen und verkauften sie für 750 DM an unsere Leser. Alle 10 gingen weg, leider haben wir keines behalten. Wer also noch so ein Original besitzt: Behalten! Es wird im Wert sicher steigen … Heute wird das von A&W initiierte Möbel regulär von der Firma Böwer hergestellt, kostet rund 420 Euro und hat sich zirka 100 mal verkauft. Nicht gerade Massenproduktion.
Mittlerweile hat sich Konstantin mit der Tatsache abgefunden, dass er als Industriedesigner nicht nur in „Massenproduktion“ denken kann, obwohl sein Antrieb mal ein sehr sozialer war: „gutes Design für alle“. Die schönste Vision passionierter Designer, leider aber auch Illusion. A&W und Konstantin Grcic sind also schon alte Freunde.
Da gefiel es uns natürlich sehr, dass der erste von uns gekürte A&W-Designer des Jahres, der italienische Altmeister des Designs Achille Castiglioni, den jungen Deutschen mit dem A&W-Mentor-Preis auszeichnete.
Den dürfen die jeweiligen A&W-Designer des Jahres als Teil ihrer Ehrung an ein Nachwuchstalent vergeben können. Das war 1997. Zehn Jahre und elf Preise später ist Konstantin Grcic nun selbst A&W-Designer des Jahres und vergibt den Mentor-Preis an das in New York lebende österreichisch- japanische Duo Antenna Design – von dem Sie in A&W 3/07 mehr erfahren werden. Warum wir ausgerechnet in diesem Jahr auf Konstantin Grcic kamen?
Es ist ja schier nicht an ihm vorbeizukommen gewesen: eine 240 Seiten dicke Monografie über KGID, Konstantin Grcic Industrial Design, die im Phaidon Verlag erschienen ist; seine große Werksausstellung im Haus der Kunst in München; seine immer raffinierter und schöner werdenden Produkte – ob für Classicon, Magis, Elmar Flötotto, Flos, Plank, Moormann, Moroso – und seine weltweite Reputation als einer der bekanntesten deutschen Designer überhaupt gaben den definitiven Ausschlag. Aber wir wollten zu unserem Jubiläum auch jemanden auszeichnen, den A&W entdeckt und publizistisch über viele Jahre begleitet hat.
Was Konstantin und seine Entwürfe auszeichnet ist die Faszination für Strukturen, für sichtbare Konstruktion, für eine Reduzierung auf Wesentliches – ohne dass er minimalistisch gestaltet. Für uns ist er der Gestalter einer neuen Einfachheit. Konstruktion beginnt mit Bildern in seinem Kopf, sagt er.
Würde er einen Baum gestalten, würde er ihn nicht wie ein Bildhauer aus einem Volumen herausarbeiten, sondern ihn Ast für Ast aufbauen. Auf der Suche nach dem Idealen Baum.
„Konstantin you are so german,“ hat einmal ein amerikanischer Designer zu ihm gesagt. Das Deutsche muss ja nicht humorlos und spröde sein, wie Konstantin beweist. Für einen Regenschirm für die japanischen Firma Muji ließ sich KGID nicht dazu hinreissen, den Schirm neu zu erfinden – nur eine kleine Idee:
Am Griffende gibt es jetzt das Grcic-Loch: eine Öse, in die die Japanerinnen ihre kleinen Gadgets hängen können – Dekoration, aber auch praktisch für ein Wiedererkennen …
Sein Design macht sich nützlich, ist aber immer auch schön und ungewöhnlich. Dabei gelingt ihm eine eigene Formensprache, eine Handschrift. Wie beim „Chair One” zum Beispiel, dem Sitz „Osorom” oder der Leuchte „Mayday”. Sie haben das Zeug, Klassiker des Möbeldesigns zu werden. Ich gebe nicht wirklich ein redaktionelles Geheimnis preis, wenn ich hier verrate, dass Konstantin Grcic schon seit vier Jahren auf unserer Liste für den A&W-Award steht. Derzeit steht er offensichtlich auf ganz vielen Listen: Er ist auch in Frankreich zum Designer des Jahres gewählt worden, das Museum für Gestaltung in Zürich eröffnet am 23. Januar seine Ausstellung „This Side up“, und wer weiß, wie viele Ehrungen er noch bekommen wird!
Seine Gefragtheit verstehen wir auch als Bestätigung für unsere diesjährige Wahl. Lieber Konstantin: herzlichen Glückwunsch. Das ist DEIN Jahr! Wir freuen uns, dass unser goldenes Jubiläum und Deine Preisträgerschaft zusammen in die Annalen von A&W eingehen werden. Und wir sind sicher, dass wir von Dir noch sehr viel mehr hören und sehen werden, schließlich hast Du, um Deinem Vorbild und Mentor Achille Castiglioni nachzueifern, noch gute 40 Jahre Kreativität vor Dir.
Guten Abend und herzlich willkommen zur Verleihung des A&W-Designer des Jahres 2016-Awards an den Engländer Jasper Morrison und des A&W- Mentorpreises an den von ihm nominierten jungen Schweizer Michel Charlot.
Als wir uns im Sommer in der Redaktion zusammensetzten, um den A&W-Designer des Jahres 2016 zu nominieren, war relativ schnell klar: Jasper Morrison ist endlich dran!
Er hatte gerade seine großartige und vielbeachtete Retrospektive „Thingness“ in Grand-Hornu, dem neuen belgischen Zentrum für Innovation und Design.
Außerdem feiert er 2016 sein 30jähriges Berufsjubiläum, A&W verleiht den Preis dieses Jahr zum 20. Mal. Und Jaspers Beziehung zu Deutschland spielte auch eine Rolle. Aber davon später …
Unsere Wall of Fame der A&W-Designer des Jahres beginnt mit Achille Castiglioni, dem Grandseigneur des italienischen Designs, geht weiter mit dem deutschen Lichtpoeten Ingo Maurer und dem französischen Pop-Star des Designs Philippe Starck.
In der Folge ehrten wir auch Richard Sapper, der, was uns sehr traurig macht, Ende Dezember seiner schweren Krankheit erlegen ist. Ohne alle aufzuzählen und ohne korrekte Reihenfolge: Ob Paola Navone, Ulf Moritz, Alfredo Häberli, Ron Arad, Ross Lovegrove, die Front-Girls, Konstantin Grcic, Tokujin Yoshioka, die Bouroullec-Brüder, Patricia Urquiola, Werner Aisslinger oder Michele De Lucchi:
Alle haben unseren Ehrenpreis angenommen, für den es bekanntlich weder ein Preisgeld noch eine Silberschale oder Urkunde gibt, sondern eine Ausstellung, die A&W zwar finanziert, die die Designer aber als individuelle Werkschau selber gestalten dürfen – und müssen. Zum 17. Mal finden Preisverleihung und Ausstellung hier in Köln statt, traditionell als Highlight am Sonntagabend vor Beginn der Kölner Möbelmesse und von Anfang an im PASSAGEN-Programm, das Sabine Voggenreiter 1990 als „Off Salone“-Designevent gegründet hat.
Ich danke ihr und natürlich den Verantwortlichen des Kölnischen Kunstvereins, dass wir erneut, mit Unterbrechung zum 7. Mal – und dieses Mal in Kooperation mit dem Rat für Formgebung – in diesem 50er- Jahre-Juwel des Kölner Architekten Wilhelm Riphan Gast sein dürfen.<br
Zum 20. A&W-Designer des Jahres-Jubiläum also Jasper Morrison.
Wir haben ihm den Untertitel „Der Verfechter der Funktionalität“ verpasst. Denn das ist ihm beim Gestalten – neben einer aufs Wesentliche reduzierten, dennoch ansprechenden Form – das Allerwichtigste. Der Satz, den ich kürzlich in der sehr interessanten Ausstellung „No Name Design“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe gelesen habe, könnte von Jasper stammen: „Schön ist nicht gut. Schön und gut ist’s erst, wenn’s richtig ist.“
Jasper, der unter anderem in Berlin bei Nick Röricht studiert und dessen Design- Maxime ebenso verinnerlicht hat wie Bauhaus-Gedanken und das „Weniger aber besser“ von Dieter Rams, habe ich 1991 in Frankfurt kennen gelernt.
Anlässlich der „Design-Horizonte“ zeigte Jasper bei Leptien 3, damals wie heute eine Designinstitution, seine „World Slide Show“, die später unter dem Titel „A World Without Words“ als Buch erschienen ist. Außerdem hatten die Veranstalter eine Art Supermarkt für Alltagsdesign unter dem Motto „Selbstbedienung“ organisiert.
In den späten Achtzigern und frühen Neunzigern blühten im Nachhall der Mailänder „Memphis“-Bewegung in deutschen Großstädten die Designfestivals: in der Hauptstadt „Berliner Zimmer“, „Wohnen von Sinnen“ in Düsseldorf, „Design-Kreuzzüge“ in Hamburg, „Passagen“ in Köln und in Frankfurt eben „Design-Horizonte“.
Für das Projekt „Selbstbedienung“ wurde die jüngere Generation von Designern eingeladen, namenlose Alltagsgegenstände zu benennen, die dann in dem – heute würde man sagen – Pop-up-Store verkauft wurden.
Es gab Metallschuhlöffel, Wäscheklammern, Kleiderbügel, Bürsten, Löffel, aber auch ne Hohner Mundharmonika. Jaspers Beitrag waren schlichte Stahlnägel in einer Schachtel, wie man sie in Do-it-Yourself-Läden kriegt.
Es war eine lustige Party! Außer Jasper werden sich sicher einige unter unseren Gästen auf diesen historischen Fotos wieder erkennen … (an diesem Punkt werden 7 Fotos kurz eingespielt, die ich nummeriere und die Personen darauf frei benenne) Jasper Morrison, 1959 in London geboren und in New York aufgewachsen, wird früh von einer reduzierten Formensprache infiziert. Sein Onkel ist Terence Conran, der von der Queen zum Sir geadelte Interior Designer, der in den 60er- Jahren als Gegenwelt zum verschmockten Brit-Style die Möbelmarke Habitat gegründet und einen modernen, urbanen Wohnstil begründet hat.
„He was very present in my life“, erklärt Jasper. Der Onkel war ihm Leitfigur und Ansporn, Designer zu werden. Wegbereiter war er nicht. Jasper Morrison geht eigene Wege, studiert, „bastelt und schraubt“ Dinge eigenhändig zusammen – wie damals auch Ron Arad und Tom Dixon. Weil es in England keine Firmen gab, die Designer beschäftigen konnten.
Dennoch entwickeln sich in Jaspers Karriere Parallelen zum Onkel: Während der heute alle möglichen Lifestyle-Produkte (auch viele vom Neffen) in seinem Conran Shop im Netz vertreibt, führt Jasper auf jaspermorrisonshop.com einen Design-Supermarkt, in dem er neben wenigen eigenen Entwürfen jede Menge formschönes Alltagsdesign bekannter und unbekannter Gestalter anbietet, die er auf seinen Reisen in aller Welt entdeckt und gut findet.
Während Terence Conran jede Menge ratgebender Wohnbücher veröffentlicht, schreibt Jasper Morrison Werke mit Titeln wie „Everything But The Walls“, „A Book of Things“ oder zusammen mit dem japanischen Designer Naoto Fukasawa den Begleittext zur gleichnamigen Ausstellung Super Normal – Sensation of the Ordinary“, der wie ein Manifest für gute Gestaltung gilt.
Jasper Morrison beschäftigt sich mit einer fast wissenschaftlichen Neugier mit Gebrauchsgegenständen, mit ihrer jeweiligen Kultur, ihrem traditionellen Nutzen. Und er hält fotografisch fest, was er an Interessantem sieht – in seinem Buch „The Good Life – Perception of the Ordinary“ ist das wunderbar dokumentiert.
Er will „ehrliche“, „leise“ Produkte gestalten. Sie sollen „gut und schön“ sein. Seine Ästhetik vereint westlichen Purismus mit der japanischen Tradition des Wabi-Sabi, der Wertschätzung des Einfachen, des Ursprünglichen, der Eigenheit der Dinge. Seine Faszination für Japan ließ ihn nach London und Paris ein Studio in Tokio eröffnen. Jasper ist mit einer Japanerin verheiratet und agiert die Hälfte des Jahres von seiner Wahlheimat aus.
Aber noch mal zu seiner deutschen Geschichte: Jasper Morrison nahm 1987 auch an der 8. Documenta in Kassel teil. Und das ist einem Herrn zu verdanken, der hier im Publikum sitzt: Michael Erlhoff, Designtheoretiker, damals Designkurator der Documenta, später Gründungsdekan der Köln International School of Design.
Mit den Berliner Gestaltern Andreas Brandolini und Axel Kufus gründet Jasper 1989 das Büro für Design und Stadtplanung „Utilism International“.
Dem verdankt Hannover das künstlerische Projekt „Busstops“ und eine schlicht- elegante, bis heute funktionalen Haltestelle von Jasper Morrison sowie eine neue Stadtbahn, die er im Auftrag der Transportgesellschaft Üstra gestalten durfte, weil denen die Haltestelle gefiel. Dem von ihm geschmähten „Uselessnism“ setzt Jasper Morrison den Ismus der Nützlichkeit entgegen. Er ist im allerbesten Sinne „Industriedesigner“ – einer der von der Bandbreite seiner Produkte her übrigens viel mit dem allerersten A&W- Designer des Jahres gemeinsam hat, mit Achille Castiglioni.
In den drei Jahrzehnten seiner Designlaufbahn hat Jasper Morrison über 600 Gebrauchsgegenstände gestaltet, vom Besteck über Glas, Porzellan, Möbel und Leuchten, Telefon und Armbanduhr bis zu Haushaltsgeräten. Und das für renommierte Marken wie Alessi, Andere World, Flos, FSB, Kettal, Magis, Muji, Punkt, Rado, Samsung, SCP – und natürlich für Cappellini und Vitra.
Rolf Fehlbaum von Vitra schätzt die Formensprache von Jasper Morrison sehr und produziert seit Jahren seine puristischen Entwürfe. Und Giulio Cappellini hat Jasper quasi entdeckt – als er dessen frühen Entwurf, den „Thinking Man’s Chair“, 1988 in Serie nahm. Was Achille Castiglionis Traktorstuhl „Mezzadro“ ist Jasper Morrisons „Thinking Man’s Chair“ geworden – eine Ikone des Designs. Beide Objekte sind neben den 18 weiteren ikonographischen Produkten der anderen Preisträger übrigens in unserer Jubiläums-Sonderausstellung „20 Jahre A&W-Designer des Jahres“ zwischen Halle 3 und 11 auf der Messe zu sehen – und werden danach unter den Besuchern dieser Schau verlost. Noch ein letzter Gedanke: Wer die eigentliche Entstehungsgeschichte des frühen Entwurfs von Jasper nicht kennt (nachzulesen in der aktuellen A&W!), könnte darauf kommen, dass der „Thinking Man’s Chair“ nach ihm benannt ist.
Lieber Jasper, Dich zu ehren könnte noch viele Aspekte berühren – und einige Stunden dauern. Aber das wäre Dir gar nicht recht. Deshalb jetzt einfach nur noch: Herzlichen Glückwunsch! Auch zu Deiner Wahl für den A&W-Mentorpreis! Wir freuen uns alle zusammen, Dich und Michel Charlot jetzt auf der Bühne begrüßen zu dürfen. </br
Herzlich willkommen zur Verleihung des A&W-Designer des Jahres 2015-Awards und des damit verbundenen A&W-Mentorpreises, den traditionell ein vom A&W-Designer des Jahres gewähltes Nachwuchstalent erhält.
In diesem Jahr geht der Preis, den wir heute zum 19. Mal verleihen an den Italiener Michele De Lucchi. Und er hat den Franzosen Philippe Nigro für den A&W-Mentorpreis nominiert.
Ich freue mich, dass wir unseren reputierten Designpreis nun zum dritten Mal gemeinsam mit der Kölnmesse und ihrem Interior Innovation Award sowie dem Nachwuchswettbewerb „Pure Talents Contest“ in so einem würdigen Rahmen feiern – und somit wieder DEN Auftakt-Event der imm Cologne und der Passagen Interior Design Week mitgestalten können.
Für alle, die zum ersten Mal Gast bei der Verleihung unseres Awards sind:
Wir vergeben keinen Pokal, keine Urkunde, kein Preisgeld: Der Preis ist traditionell eine große Reportage und eine Ausstellung, die die jeweiligen Preisträger nach eigenen Ideen gestalten – und die A&W mit 50 000 Euro finanziert.
Die Ausstellung findet im Kölnischen Kunstverein im Rahmen des PASSAGEN- Programms statt und ist ab morgen bis kommenden Sonntag öffentlich zugängig. Wer sie heute abend noch sehen möchte: sie ist ab 21.30 bis gegen Mitternacht für eine VIP-Preview geöffnet. Warum nun dieses Jahr Michele De Lucchi? Ehrlich gesagt, steht er schon ganz lange auf unserer Liste der potenziellen Kandidaten – wir haben vielmals über ihn und sein kreatives Schaffen berichtet, auch als Tomatenzüchter – und er hat die Laudatio auf den allerersten A&W-Designer des Jahres, auf Achille Castiglioni gehalten. Das war 1997.
Um Michele als A&W-Designer des Jahres zu nominieren gab es keine zwingende Aktualität – außer ein großartiges Lebenswerk. Und um ihn dafür zu ehren, fanden wir dann doch zu jung.
Nun aber steht die Expo in Mailand bevor, mit dem Untertitel „feed the planet, energy for life“ – Themen wie gedacht für Michele De Lucchi, für sein Denken und Handeln.
Er gestaltet nicht nur den Eingangspavillon als Symbol der Erdkruste, die unser aller Heimat ist, sondern auch den Informationspavillon im Castello Sforzesco dem er die Form eines Heuhaufens gibt. Weil der im bäuerlichen Verständnis das Futter fürs Vieh ansammelt – und so im natürlichen Nahrungskreislauf eine wichtige Rolle spielt.
Michele De Lucchi ist 1951 in Ferrara geboren, als einer von acht Brüdern – und als Zwilling. Das ist übrigens der Grund für seinen mächtigen Rauschebart. Er lässt ihn schon als Jugendlicher wachsen – um sich von seinem Zwillingsbruder zu unterscheiden.
„Mein erstes Designprojekt“, nennt Michele die Inszenierung seiner selbst. Sein Bruder Ottorino studiert Chemie, schon ein bisschen deshalb entscheidet sich Michele für die Architektur. Es hätte auch umgekehrt kommen können.
Die wissenschaftlichen Interessen sind vielfältig. Schon während des Studiums engagiert er sich für ein Umdenken der vorherrschenden Gestaltung, schließt sich revolutionären Designbewegungen an.
1980 wird er Mitglied der legendären Gruppe Alchimia, ein Jahr später neben Sottsass Mitbegründer der berüchtigten „Memphis“-Bewegung mit ihren farbenfrohen Formsprengungen – als Gegenspiel zu rationalem Design.
Der „architetto“ De Lucchi wird also wie fast alle italienischen Architekten Designer. Von der Buntheit lässt er nach Memphis ab.
„Mit mir lernt Ihr, die Schöpfung neu zu lieben“, lockt Michele de Lucchi vor 40 Jahren Zuhörer vor die Mailänder Triennale, dem Designmuseum, das er viele Jahre später restaurieren darf. Ein Satz für die Ewigkeit, ein Lebensmotto, das ihn mit zunehmendem Alter immer mehr bewegt. Gute Gestaltung erweitert das Bewusstsein, davon ist er überzeugt.
Er wird Designberater bei Olivetti, Dozent an der Domus und Cranbook Academy – und dann entwickelt er zusammen mit Giancarlo Fassina eine Leuchte für Artemide, die bis heute ein Bestseller ist: die Tolomeo.
Diese Leuchte erhält schon 1989 den Design-Oscar Compasso D’Oro und verkauft sich seither jedes Jahr millionenfach auf der ganzen Welt – als Tischleuchte, als Wand- und Stehleuchte, als Mini- oder Maxi-Ausführung.
Von solch einem Entwurf (und den damit verbundenen Lizenzgebühren) träumt wohl jeder Designer. In den letzten Wochen habe ich mal in Fernsehserien und Spielfilmen bewusst darauf geachtet: Die Tolomeo taucht einfach überall auf, selbst in den Polizeistuben vom Tatort. Meinen Büroschreibtisch beleuchtet natürlich auch eine Tolomeo – und zuhause dient sie uns mehrfach als Leselicht neben Sesseln und Sofas. Einfach gut, diese Leuchte!
Michele De Lucchi entwirft zwar hier und da Möbel und Accessoires für große Marken wie Alessi, de Padova, Hermès, Kartell, Poltrona Frau – um nur einige zu nennen – aber seine Leidenschaft gilt seiner 1990 gegründeten „Produzione Privata“, seinem privaten Forschungslabor für nachhaltige gute Gestaltung.
Unter diesem Label widmet er sich Produkten, die auf Kunsthandwerk beruhen, gepaart mit moderner Technologie. Er selbst arbeitet gern mit den Händen, sie sind verbunden mit dem Kopf.
Er zeichnet jeden Entwurf eigenhändig, nicht mit dem Computer. Er schneidet mit der Kettensäge Formen aus Holzblöcken; er modelliert Keramik und Glas, kocht Walnussbrühe als Färbemittel. Er experimentiert – das am liebsten.
Michele De Lucchi macht sich – im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen – aber auch als Architekt einen Namen.
Auf ihn fällt die Wahl des georgischen Präsidenten Mikheil Saakashvili, der als demokratisch gewählter Politiker das kaukasische Land mit Großbauten, mit „Grand Travaux“ demonstrativ von Russland separieren und dem Westen anschließen möchte.
Michele De Lucchi baut während seiner Regierungszeit sieben Jahre lang bemerkenswerte Gebäude im ex-kommunistischen Georgien, darunter die „Brücke des Friedens“ in Tiflis: Es sind Architekturen mit Symbolwert, leicht, hell, fließend, frei – zukunftsorientiert.
Wenn Michele recht hat, dann erweitern seine Bauten das Bewusstsein der Bevölkerung.
Michele De Lucchi baut aber auch in Italien, unter anderem für den Energieversorger Enel ein imposantes Kraftwerk. Und sogar in Deutschland: Die Innengestaltung des Neuen Museums Berlin ist von ihm, einige Filialen der Deutschen Bank und das Verwaltungsgebäude „Il Tronco“ (was der Stamm bedeutet) in Pforzheim.
Das schönste Gebäude in meinen Augen ist allerdings seine Jakobskapelle in Fischbachau, eine bayrische Wallfahrtskirche auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela – ein stilles, wunderschönes Stück Architektur aus Steinen und Schindeln der Region.
Hier alle Facetten des Wirkens von Michele De Lucchi anzusprechen, würde meine Redezeit sprengen. Michele De Lucchi ist vielschaffend unterwegs: er ist Architekt und Designer, er ist Bildhauer und Modellbauer, er ist Fotograf und Schriftsteller, er ist Revolutionär und Professor, und er ist Philosoph und Unternehmer – ein interkultureller Intellektueller mit handwerklicher Begabung.Im wahrsten Sinne ein „Gesamtkunstwerkler“.
Michele, wir ehren Dich als „Der forschende Grenzgänger“ und sind stolz, dass Du heute mit Deiner Familie hier bist, um unseren Award anzunehmen – und später Deine tolle Ausstellung zu eröffnen. Grazie Maestro!
Seit der Mensch erkannt hat, dass er nackt ist, will und muss er sich bekleiden. Schon wegen Sonne, Wind, Schnee und Eis, gegen Wärme wie gegen Kälte. Sein Selbstschutz-Trieb hat ihn seit jeher erfinderisch gemacht und weiter entwickelt …
Schon in der Jungsteinzeit sollen Menschen auf simplen Webgerätschaften Stoffe gefertigt haben. Jedenfalls sind die ältesten Funde und nachweisbar von Menschen verwendeten Textilfasern über 30 000 Jahre alt. Auf Wikipedia nachzulesen.
Schon damals erkannten die Menschen, dass tierische Felle allein auf Dauer nicht alles sein können – und dass man aus Flachs & Co. Garne gewinnen konnte, aus denen sich individuellere Bekleidungsstücke flechten und verweben ließen.
Bis heute spielen Stoffe ein wichtige Rolle in allen Gesellschaften. Vorrangig in der Bekleidung. Aber auch als Wohntextilien beeinflussen sie von jeher die industrielle und wirtschaftliche Entwicklung eines Volkes, spiegeln dessen Gesellschaft,
Kultur und Tradition.
Seit geraumer Zeit erkennt man leider auch die immer geringer werdende Wertschätzung, die der textilen Produktion entgegen gebracht wird.
Das Verschwinden der in Europa einst wichtigen Industrie, deren Verlagerung in Billiglohnländer und die erschreckenden Verhältnisse in Bangladesch & Co. sprechen Bände. Aber das ist ein anderes Thema …
Bleiben wir bei den schönen und angenehmen Aspekten der textilen Welt. Bleiben wir bei den Wohntextilien. Neben dekorativen Aufgaben hatten – und haben – diese stets auch funktionale:
Vor allem dämmten und wärmten sie die kalten Räume in zentralheizungsfernen Zeiten. Sie waren sozusagen ein „Must-have“ fürs wohnliche Ambiente! Und natürlich auch ein Statussymbol.
Heute erwärmen Stoffe vor allem das Gemüt – und absorbieren Sonne und Schall. Aber leider sind sie nicht der Deutschen Lieblings-Wohnthema. Und ob das in der Schweiz und Österreich viel anders ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Aber es muss ja einen Grund geben, warum es die #GibDirStoff-Aktion der
Initiative Textile Räume gibt – und weshalb wir heute hier zusammen sitzen.
Die Deutschen jedenfalls scheinen viel Lust auf Auto, Technik und Reisen zu haben – und leider zu wenig auf das Wohnen mit schönen Stoffen, zumindest an den Fenstern. Warum das so ist und wie sie auf den Geschmack gebracht werden könnten? Das ist hier die Frage. Ohne Garantie auf leichte Antworten und einfache Problemlösungen …
Während ich an diesem Vortrag schrieb, schaute ich von meinem Schreibtisch aus auf zwei Wohnblocks im Hamburger Stadtteil Winterhude:
Denkmalgeschützte Klinkerarchitektur aus den 1920er-Jahren. Damals moderne, wegweisende Bebauung. Bezahlbare Wohnungen mit normalgroßen Fenstern.
Nur in drei, vier unverhüllte Glasscheiben. Die meisten sind mit weißen oder beigen Gardinen bestückt, einige mit adrett gerüschten Volants. Viele Fenster sind mit Jalousien ausgestattet. In keinem einzigen Fenster hängen farbige Vorhänge.
In der Hafencity sieht das noch ganz anders aus: Da sind die allermeisten Glasflächen textilfrei. Und in dem coolen Architektur-Ensemble gibt es sehr viele Wohnungen mit riesigen Glasflächen. Weil’s halt chic ist!
Und weil man „freien Blick“ genießen möchte. Dass der in der dichten Bebauung des ultra-modernen Architektur-Ensemles oft nur ins gegenüberliegende Wohnzimmer der Nachbarn fällt: Das scheint nicht zu stören.
Aber was ich gar nicht verstehe: Da stehen zum Teil auch Möbel an den gläsernen Wänden. Weil die Bewohner offensichtlich nicht genügend Platz für ihr Mobiliar finden. Architektur als Selbstzweck für die Architekten??
Es sieht jedenfalls ganz danach aus, dass die heutige Architektur eine Rolle beim Textilverzicht spielt.
Erst kürzlich sah ich wieder einmal einen deutschen Spielfilm, in dem ein weißer „Bauhaus“-Bungalow mit großflächigen Fenstern und verglaster Terrassenfront ohne Vorhänge eine Rolle spielte. Es wohnte darin – natürlich – ein super-cooles junges Paar. Selbst wenn nachts vielleicht Rolläden verdunkeln und Sichtschutz bieten: Sich tagsüber in so einem Haus auf dem Präsentierteller für die Nachbarn zu bewegen – wer will das denn wirklich?
Hier FOTOS von der Online-Plattform Pinterest
Als Chefredakteurin von Architektur & Wohnen habe ich immer wieder von international agierenden Fotografen Häuser und Wohnungen zur Veröffentlichung angeboten bekommen, die so aussahen wie die vorgezeigten Fotos. Im Ambiente fehlten durch die Bank weg bemerkenswerte Fensterdekorationen, außer in den Schlafzimmern. Da suchen die Menschen intuitiv Intimität und bekleiden die Fenster.
Anlässlich einer Gesprächsrunde, die ich während des Münchner Stoff Frühlings moderierte – Thema: „Wohnen wir in Zukunft noch textil?“ – meinte eine Raum-ausstatterin, die Architekten verbrieten das ganze Geld für den Bau der Immobilie, dann bleibe den Bauherren für die textile Raumgestaltung halt nicht mehr viel übrig. Auch das moderne Bauen im „Bauhaus“-Stil war in der Diskussion.
Ein Stil, der mit dem vielen Beton und Glas, der coolen Avantgarde, keine emotionale Dekoration vertrage …
Das Bauhaus allerdings ist nicht schuld am textilarmen Wohnen! Das Gegenteil ist der Fall! Es gab großartiges Textildesign! Die Muster von Gunta Stölzl zum Beispiel sahen aus wie das Design von Memphis in der 80er-Jahren – totale Avantgarde!
Falsch verstandenes Bauhaus!
Die gestalterische Bewegung entstand nach dem ersten Weltkrieg.
Sie wollte das Handwerkliche, das Künstlerische in die aufstrebende industrielle Massenproduktion retten. Alles sollte von Grund auf neu gedacht – und besser werden. Auch die Gesellschaft. Das sozial-denkende Bauhaus lebte nur 14 Jahre bis die Nazis an die Macht kamen und es schließen musste. Aber es ebnete den Weg für den Aufbruch in die Moderne.
„Die gute Form“, „Form Follows Function“, das funktionale Prinzip der Ulmer Hochschule und vieles mehr entspringen der Bauhaus-Idee. Und beeinflussen bis heute das deutsche Design – und auch das praktische Denken.
Aber was im Namen von Bauhaus so alles verbrochen wird, würde Walter Gropius und Co. im Grab umdrehen lassen.
Als Chefredakteurin musste ich mich stets auch um Trends kümmern.
Und Trends kommen und gehen wie Wellen. Einige Wellen allerdings habe ich erlebt – und sicher auch verstärkt –, die zu einem Tsunami wurden und das Konsumbedürfnis komplett veränderten.
Die Einbauküche, die sich mit wachsendem Wohlstand – und dem Trend zum Kochen und Genießen und Freunde-Bewirten zur großen, offenen Wohnküche mauserte.
Das Bad, das von der Nasszelle zur Wellness-Oase gedieh, mit riesigen Intervallbrausen, mit Luxuswannen und Whirlpools.
Und natürlich das Boxspringbett, das Lattenrost und Naturkautschuk-Matratze verdrängt.
Konsumbereitschaft, die so gar nichts mit der in Deutschland oft angeführten
Geiz-ist-geil-Haltung gemein hat.
Für das Traumbad, die Traumküche, das Traumbett wird nämlich durchaus ein kleines Vermögen investiert. Wenn der Wunsch danach erst einmal geweckt ist.
Viele Ideen kommen übrigens aus der Hotel-Gestaltung, die ins Private übertragen werden. Schließlich reisen die Menschen gern.
Gerade der Hype mit den Boxspringbetten entspringt nicht nur der massiven Werbung der Luxusmarken wie Treca oder Schramm, sondern vor allem dem
„Prinzessin-auf-der-Erbse-Gefühl“ in den hohen weichen Hotelbetten.
Kürzlich erlebte ich übrigens, was „Schallschutz“ bedeutet. Ich war in einem angesagten Restaurant – hier in Frankfurt: im „Margarete“. Das Essen war höchst kreativ und köstlich dazu. Das Lokal ist, wie ich erfuhr, seit Jahren ein Hotspot und immer gut besucht. Ich war mit einer großen Gruppe dort und es war brechend voll.
Leider brach nichts die hin und her wabernden Schallwellen, die die sich unterhaltenden Gäste produzierten und die Geräuschkulisse bis zum Unerträglichen steigerten. Man konnte sich nur noch mit den direkten Tischnachbarn unterhalten oder musste zum Vis-à-Vis hinüber schreien.
Und was war schuld? Natürlich riesige Glasfenster, glatter Boden, kahle Wände und Decken.
Ich hatte noch eine Stunde danach im Hotel einen Brummkopf. Nicht wegen der zwei, drei Gläser Wein …
Wenigstens im Hotel umfing mich eine wohlige Stofflichkeit mit opulenten Verdunkelungsvorhängen, die zusammen mit den großen, raumhohen, aber dichten Fenstern den Großstadt-Straßenlärm komplett absorbierten. Dazu Teppichboden, stoffbezogene Sessel, schicke Tagesdecke und viele Kissen. Gemütlich!!
Vielleicht schafft es ja die Hotelbranche, auch der Heimtextilbranche einen Schub zu geben.
Eine Hotellobby, die Bar, das Restaurant – und erst recht ein Hotelzimmer –
müssen angenehm, müssen zum Wohlfühlen sein. Und stecken sie in noch so coolem Avantgarde-Gebäude. Die „harten Schalen“ brauchen „weiche Kerne“. Das wissen die auf Hotels spezialisierten Interior Designer schon lange.
Selbst die preiswerte „Motel One“-Marke hat das mit ihrem innenarchitektonischen Konzept kapiert. Eine angenehme Stofflichkeit muss also nicht zwangsläufig teuer sein.
Es gilt die Wünsche zu wecken! Und überhaupt das Bewusstsein, einen Einrichtungsprofi mit der Raumgestaltung zu beschäftigen! Denn daran krankt die deutsche Wohn-Seele. Weil man sich keinen Profi gönnt, einen, der auch mit schwierigen Fenstern umgehen könnte, bleibt das Fenster halt kahl oder allenfalls textil-banal.
Am Auto schraubt man längst nicht mehr selber herum. Küche und Bad überlässt man den Profi-Planern. Aber die Kosten für Innenarchitekten und Raumausstatter sparen sich die meisten. Das bisschen Einrichten kann man doch selber …
Und das suggerieren ja auch Ikea & Co. und bieten fertige Gardinen und Vorhänge an – vorwiegend in Weiß-, Beige- und Grautönen. Das ist praktisch und passt in jedes Ambiente. Und: Das schwedische Einrichtungshaus muss nicht so viele Stoffvarianten vorhalten.
Das macht die Sache zwar einfacher und billiger – auch für den Kunden –, wirkt sich aber leider auf die Geschmacksbildung von Millionen aus.
Weil die wenigsten Menschen ein Händchen für die Kombination von Farben und Mustern haben, gewöhnen sie sich an den allgemein akzeptierten, neutralen – und uniformen – monochromatischen textilen Wohnstil.
Manchmal mag das sogar besser sein: Zu viel Mut ohne professionelle Beratung kann schlimme Folgen haben. Wie einige Beispiele von Leserinnen zeigen, die stolz die Fotos von ihrem Zuhause in die Redaktionen schicken.
Britisch-verschrobener Wohn-Charme, die harmonische Kombination von unterschiedlichen Stoffen und Mustern in einem Raum – das können wir Deutschen nicht. Da fehlt uns die Tradition.
Die Initiative #GibDirStoff geht in die richtige Richtung. Wie an den vielfältigen Veröffentlichungen zu sehen war. Sie die Stoffhersteller, Stoffverleger und Raumausstatter haben sich zusammen geschlossen, um in der Öffentlichkeit textiles Wohnen zu thematisieren. Sie sind ziemlich aktiv, auch auf den social media-Kanälen. Das finde ich gut! Das ist schon mal ein ziemliches „Pfund“.
Aber sicher noch kein Grund, sich auf den bisherigen Erfolgen auszuruhen.
Mir ist klar, dass es nicht so ganz einfach ist, textiles Wohnen zu stärken, zu beleben. Aber einfach und leicht war vorgestern …
Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen:
Sind Deko-Stoffe vielleicht zu teuer? Gibt es vielleicht zu viele Kollektionen?
Muss es eigentlich jede Saison neue geben? Schreckt die unendliche Vielfalt den Kunden vielleicht auch ab?
… und 5 Thesen zur Diskussion:
Zusammen ist man stärker als allein. Das haben Sie mit der Initiative ja schon verinnerlicht. Aber ich denke da an Veranstaltungen wie z. B. Home&Garden oder Blickfang. Öffentlich Events, die wie eine Messe funktionieren, und zwar für Endkunden. Mit Ständen, die neben käuflichen Produkten auch Ideen und Inspiration bieten. Da pilgern Interessierte gegen Eintrittsgeld am Wochenende hin …
Wenn schon die Architekten Schuld an textilfreien Fenstern tragen: Warum nicht den Kontakt und den Diskurs suchen.
Sie könnten ihre Bauherrn auf die Vorzüge textiler Raumplanung einschwören?
Vielleicht ist sogar die Architektenkammer ansprechbar?
Und womöglich würde eine Innenraum-Dämmungsverordnung bewirken,
was der Lobby der Feuermelderhersteller gelang:
Pflicht-Stoffe-am-Fenster …
Badeinrichter machen oft mit Erlebnisbädern Lust auf ihre Produkte. Küchenstudios veranstalten Kochabende, um ihre Küchen-Vorzüge erlebbar zu machen. Die Autoindustrie überzeugt durch Probefahrten, Leasing, Inzahlungnahme des alten etc.
Steckt darin vielleicht auch eine Idee für die Raumausstatter?
Die meisten Menschen mögen, wichtig zu sein. Dazu gehört, auf Einladungslisten für besondere Events in ihrer Stadt zu stehen.
Warum nicht Workshops organisieren, in denen die Gäste über Stoffe, Qualität, Funktion und Emotion etwas lernen können. Im angenehmen Kreis Gleichgesinnter, mit Drinks und Häppchen.
Womit ich zum Schluss auf den Tupper Ware- und Thermomix-Effekt komme.
Eine zufriedene Raumausstatter-Kundin lädt ihre Freundinnen zu sich nach Hause ein – und die wollen dann auch so schön textil wohnen.
Das wär’s doch:
#GibDirStoff löst einen Hype aus …
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Barbara Friedrich
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